Gesellschaft & Kultur
In Toleranz und mit Humor leben rund 60 Ethnien in Burkina Faso friedlich zusammen. Mehrere Zeitalter trennen städtisches von ländlichem Leben. Die panafrikanischen Filmfestspiele FESPACO sind das größte internationale Kultur-Highlight in Ouagadougou.
Alphabetisierte Erwachsene 41,2 % (HDR, 2020)
Bedeutende Religionen Islam 61 %, Christentum 30 %
Städtische Bevölkerung 30,0 % (HDR, 2020)
Lebenserwartung (w/m) 62,3/60,7 Jahre (HDR, 2020)
Gender Inequality Index 147 von 162 (2019, HDR 2020)
Anzahl der Geburten 5,19 / Frau (Weltbank, 2018)
Kindersterblichkeit 49 / 1.000 Lebendgeburten (HDR, 2020).
Ethnische Gruppen
Die Bevölkerung Burkina Fasos setzt sich aus etwa 60 unterschiedlichen ethnischen Gruppen zusammen. Zahlenmäßig dominieren die Mossi mit einem Anteil von über 40 %. Weitere wichtige Gruppen sind die Peul (Fulbe), Lobi, Bobo, Senufo, Gurunsi, Gourmantché, Bissa, Sanan, Kurumba.
Mooré (die Sprache der Mossi), Dioula im Westen und Fulfulde im Norden des Landes sind die wichtigsten einheimischen Verkehrssprachen. (Karte zur Verbreitung der einheimischen Sprachen).
Die räumliche Verteilung der lokalen Bevölkerung spiegelt die spezifische Wanderungs- und Siedlungsgeschichte der jeweiligen Volksgruppen wider. Viele der heutigen Ethnien haben sich während einer Zeit großer Völkerwanderungen vor ca. 500 – 800 Jahren durch Eroberung, Überlagerung, Gewaltenteilung oder friedliche Mischung mit autochthonen Völkern (Nioniosi) in ihrem heutigen Siedlungsgebiet formiert (Mossi, Gourmantché…). Die Sprache der Einwanderer dominierte, während die Sprache der Nioniosi bis heute als Sakralsprache fortbesteht. Mit Handel und modernem Berufsleben ist es zu einem immer stärkeren Miteinander- und Ineinanderleben der Ethnien gekommen. Dabei entstanden neue Ethnien wie die Silmi-Mossi, aus der Thomas Sankara hervorgegangen ist.
Zu gewalttätigen ethnischen Auseinandersetzungen kommt es in Burkina Faso so gut wie nie. Burkiner haben gelernt, mit Gegensätzen umzugehen und verhalten sich dem Fremden gegenüber ausgesprochen tolerant. Wenn trotzdem von Konflikten zwischen Ethnien berichtet wird, liegen die Motive meist in sozio-professionellen Differenzen. So liefern sich Hirten (Fulbe) und Bauern (Mossi) seit Jahrhunderten Keilereien. Meist geht es um Nutzung von Brunnenwasser oder Zertrampeln oder Kahlfressen von Feldern durch Viehherden, was die Gemüter erhitzt. Ein Beispiel ist ein dramatischer Konflikt zwischen Viehzüchtern und Bauern nahe der Provinzhauptstadt Manga. In Verbindung mit Migration kann es leicht zu Konflikten um Ressourcen mit der autochthonen Bevölkerung kommen, insbesondere wenn dabei Schürfrechte in Goldminengebieten auf dem Spiel stehen.
Scherzverwandtschaften
Zwischen gewissen ethnischen Gruppen (z.B. Gurunsi/Bissa, Samo/Mossi, Fulbe/Bobo etc.) wird eine Kommunikationsform gepflegt, die in Burkina Faso unter der Bezeichnung «Rakiiré», französisch «Parenté à plaisanterie» (übersetzt «Scherzverwandtschaft» oder «joking relationship») bekannt ist. Bei solchen rituellen Komödien geht es darum, den anderen herabzusetzen bzw. sein Gegenüber als negatives Stereotyp seiner Volksgruppe zu verspotten, um sich zum Schluss über ihn zu stellen. Im «Gespräch» zwischen Angehörigen scherzverwandter Ethnien kommt es oft zu rituellem Beschimpfen und Beleidigen bis hin zu ausschüttendem Lachen. Neben einem mitunter hohen Unterhaltungswert trägt diese Art verbaler Rivalität dazu bei, Spannungen abzubauen und den sozialen Frieden in der multi-ethnischen Gesellschaft Burkina Fasos zu sichern. Ein Schuhputzer darf in diesem Spiel einen hohen Boss der scherzverwandten Ethnie beleidigen und die soziale Ungleichheit für einen Moment humorvoll aufheben. Ursprung der Scherzverwandtschaft zwischen Ethnien, die Beleidigungen bei Hochzeits- und Beerdigungsriten vorschreibt aber gleichzeitig beide Ethnien zu unbedingter Hilfeleistung und Solidarität verpflichtet, sind oft über 500 Jahre alte Friedensverträge zwischen den Ethnien und die Einsicht, dass kein Stamm den anderen physisch dominieren kann. Kaiser Soundiata Keita befahl seinen unter sich verfeindeten Stammesführern, ihren kriegswütigen Untertanen zu sagen: «Zieht mit den Waffen gegen die Feinde, aber wenn ihr sie seht, beschimpft sie erst solange, bis ihr euch krümmt vor Lachen, dann überlegt euch, ob ihr kämpft!» So entstand das erste afrikanische Großreich in Westafrika – im 13. Jahrhundert.
Demografie
In Burkina Faso werden eigentlich alle 10 Jahre Volkszählungen durchgeführt. Die letzte Erhebung auf nationalem Niveau fand jedoch 2006 statt. Die Daten sind beim «Institut National de la Statistique et de la Démographie» (INSD) einzusehen. Der 5. Zensus des Landes war für November/Dezember 2019 geplant. Anhand von Haushaltsbefragungen, zuletzt 2016, werden Daten hochgerechnet.
Daneben gibt es keine verlässlicheren Quellen. Einige Organisationen versuchen sich an im Ergebnis stark voneinander abweichenden Schätzungen. So gibt z.B. das World Factbook der CIA für das Jahr 2020 ein Durchschnitttsalter der Bevölkerung von 17,9 Jahren an mit einem Anteil der unter 15-jährigen von fast ca. 43,6 %.
Stadt-Land-Verhältnis
Die Kluft zwischen Stadt und Land kennzeichnet deutlich den Übergang von Tradition zu Moderne, in dem Burkina Faso eine Jahrtausend-Entwicklung zu überspringen scheint. Die Infrastruktur auf dem Land (Wasser- und Stromversorgung, Schulen, Krankenanstalten, Straßen…) ist sehr dürftig bis inexistent. Es gibt auch heute noch Dörfer ohne Brunnen und ohne Schule. Die Analphabetenquote liegt in manchen ländlichen Gebieten über 90 %.
Für Jugendliche übt die Stadt mit ihren trügerischen Möglichkeiten einen starken Sog aus, während sie genug haben von der gähnend langweiligen Arbeit ihrer Eltern auf den Feldern, und für sie Arbeit auf dem Land keinen finanziellen Anreiz hat. Die Folge ist Landflucht. Ouagadougou und Bobo-Dioulasso wachsen dadurch rasant.
Während in früheren Jahrzehnten Arbeitermigration hauptsächlich eine Domäne von Männern war, hat die Migration von Mädchen – schon ab 12 Jahren – aus ländlichen Gebieten in die Städte oder Nachbarländer, wo sie etwas Geld als Haushaltshilfe in Familien verdienen möchten, enorm zugenommen. Terre des hommes weist am Beispiel der Provinz Sourou auf die soziale und rechtliche Unsicherheit der Mädchen hin.
Mikrosoziale Strukturen
Dorfgemeinden, Clans und Familie
Das Leben im Dorf bedeutet Leben als Teil einer Großfamilie. Die Prinzipien des Zusammenlebens sind weitgehend archaisch. Mit wenigen Ausnahmen (z.B. Lobi) ist die Familienstruktur patriarchal, es gilt Polygamie und Exogamie, d.h. die Frauen eines Dorfes stammen aus anderen Dörfern (ausgeweitetes Inzesttabu). Weitere Kennzeichen sind ein innerer Egalitarismus und das Senioritätsprinzip. Über die Regeln des Zusammenlebens wachen die Ahnen, mit denen ein Ältestenrat oder der Erdpriester in Verbindung steht. Vor allem das Eheversprechen von unmündigen Töchtern bzw. die Zwangsheirat haben in den letzten Jahrzehnten für viele Konflikte mit oft tödlichem Ausgang gesorgt.
Auf den Feldern arbeitet die ganze Familie, wobei Frauen u.U. auch eigene Felder bewirtschaften können. Frauen können durch Handel auf Märkten ihr Haushaltsgeld aufstocken. Ihnen obliegen die täglichen Aufgaben innerhalb des Hofes, während Männer für Bau und öffentliche Angelegenheiten zuständig sind.Heute gibt es in so gut wie jedem Dorf mindestens eine Bauern-Selbsthilfegruppe. Darunter sind viele Frauengruppen oder Jugendgruppen.
Infolge ländlicher Armut und Landflucht fällt heute zunehmend auf, dass Dörfer von Alten und Kindern bewohnt werden, während die Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter in den Städten lebt.
Die bäuerliche Tradition lebt auch bei denen, die längst in der Stadt wohnen, weiter. Auch ein Mossi, der seit Jahrzehnten in Abidjan arbeitet, fürchtet dort die Ahnen seiner Familie. Wer meint, sich von der alten Tradition lösen zu können, wird von ihr wieder eingeholt. Denn er bleibt ein Element in der tabubesetzten Vorstellungswelt seiner Familie.
Hierarchien und Kasten
Ein gewählter «Délégué» oder «Conseiller» vertritt das Dorf gegenüber dem Präfekten des Departements, gibt ihm Rechenschaft über Vorgänge im Dorf ab und hat exekutive Gewalt. Einem Ältesten oder Erdpriester obliegt dagegen die sakrale Macht. Er regelt auch Streitfälle und entscheidet über Landnutzung. Das Erdpriestertum wird vererbt.
An einzelnen Orten gibt es noch feudale Familien, die sog. Chefferie traditionnelle. Während zur Zeit Sankaras der Einfluss der traditionellen Autoritäten zugunsten der jungen CDR-Vertreter zurückgedrängt wurde, instrumentalisierte zur Zeit Compaorés die regierende Partei CDP das Ansehen traditioneller Autoritäten für ihre Wahlergebnisse. Während der Übergangszeit unter Kafando ist ein neuer Streit darüber entfacht, inwieweit traditionelle Chefs Parteigänger mit politischen Organisationen sein dürfen.
Bis heute gibt es in ländlichen Gegenden Burkina Fasos sozio-professionelle Gruppen, die alle Kennzeichen einer Kaste tragen. Dies gilt insbesondere für Schmiede in Yatenga oder Griots im Südwesten oder bei den Fulbe. Das «Wir-Gefühl» als Kaste ist bei Schmieden im Norden von Burkina Faso ausgeprägter als die ethnische Zugehörigkeit. Als Beherrscher von Blitz, Feuer und Metall werden ihnen magische Fähigkeiten zugeschrieben. Sie werden von der bäuerlichen Gesellschaft zugleich ausgestoßen, gefürchtet, respektiert und gebraucht. Einem Schmied ein Huhn zu schenken kann eventuell Unheil abwehren. Keramikgefäße dürfen nur die Frauen der Schmiede herstellen.
Geschlechterverhältnis
Eherecht und Frauenrechte
Aus der Perspektive modernen Lebensstandards ist das traditionelle bäuerliche Leben einer Frau in Burkina Faso von unvorstellbarer Härte. Nicht nur Armut und Ignoranz sondern auch von der Tradition auferlegte Zwänge hindern Frauen daran, für sich Erleichterung zu schaffen und für ihre Rechte einzutreten. Oft stehen sie sich dabei selbst im Weg.
Das moderne Zivilrecht steht traditionellen Vorstellungen von Ehe und Unterordnung der Frau diametral entgegen. Über eine Frau bestimmt nach patriarchalem Denken bis zur Verheiratung ihr Vater, danach ihr Ehemann und nach dessen Tod einer seiner Brüder. Ein Mann behält somit die Kontrolle über weibliche Sexualität, um die gesellschaftlich bedeutsame Abstammung des Kindes von einem Mann sicherzustellen. Dass eine Frau ein Selbstbestimmungsrecht hat, ist für eine Burkinerin eine noch sehr junge Entdeckung, die mit dem Einbruch der Moderne, also Ende des 20.Jahrhunderts gekommen ist.
Die Forderung eines Brautpreises ist in traditionell bestimmten Gegenden bis heute üblich. Das Alter der Frau bei Eheschließung ist traditionell sehr niedrig, wogegen sich heute Sensibilisierungskampagnen u.a. des Sozialministeriums wenden. 51,6 % der burkinischen Frauen sind bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres verheiratet. Im Sahel heiraten 76 % aller Mädchen im Alter von 15-17 Jahren. Laut Verfassung sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Auch das Arbeitsrecht und die Gesetze zum Grundbesitz nehmen Bezug auf die Gleichbehandlung der Geschlechter. Im Eherecht stehen als Optionen Monogamie und Polygamie offen, wobei natürlich beide Ehepartner zustimmen müssen.
Ein Essay beschreibt, wie die Burkinerin auf einem Motoroller, der Yamaha dame zu neuem Selbstbewusstsein in der Stadt gelangte. Entscheidende Impulse zur Übernahme neuer Rollen der Frau setzte die Zeit der Revolution 1983-1987, die sich auch Revolution der Frau nannte. Durch skurrile Maßnahmen wie Einkaufsverbotstage für Frauen wurde versucht, die Perspektiven der Frauen in den gesellschaftlichen Mittelpunkt zu stellen.
Das panafrikanische Netzwerk der Organisationen für Frauenrechte und Entwicklung WiLDAF/FeDAFF bietet ein umfassende Informationen über die Stellung der Frau in westafrikanischen Ländern. Die Regierung versucht, die auf der Weltfrauenkonferenz von Peking verabschiedeten Instrumente zur Anwendung (nationaler Aktionsplan, Fortschrittsberichte an CEDAW etc.) zu bringen.
Weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsheirat, Hexenvertreibung
Brisante Themen in der burkinischen Gesellschaft, die sich mit den Rechten der Frau beschäftigen, sind die weibliche Genitalverstümmelung, die Zwangsheirat und die Vertreibung von Hexen. 76 % aller erwachsenen Burkinerinnen sollen Beschneidungen durch Klitoridekotomie oder Exzision erlitten haben. Das Durchschnittsalter ist 6 Jahre. Traditionelle Beschneiderinnen führen die Operation mit unsterilen Messern oder Klingen durch, was ein hohes Infektionsrisiko mit sich bringt. Auch wenn aus sozialer, religiöser, traditioneller, sexueller oder anderer Sicht Motive angeführt werden können, liegen Sinn und Ursprung dieser Praktik, die quer durch Ethnien und Religionen geht, im Dunkeln.
Nicht weniger grausam als die Exzision selber können die akuten und chronischen Konsequenzen (Fistelbildung) und die sich über das weitere Leben der Frau erstreckenden physischen und psychischen bzw. psychosomatischen Folgen sowie Schwierigkeiten bei der Geburt werden. Seit November 1996 ist Beschneidung in Burkina Faso per Gesetz verboten und muss angezeigt werden. Zahlreiche Vereine wie Songtaaba haben ihr den Kampf angesagt. Umfangreiche Sensibilisierungskampagnen, an denen auch Imame beteiligt sind, sowie Unterrichtseinheiten in Schulen haben in den letzten 15 Jahren für einen Rückgang dieser Praktik gesorgt. Aber Kampagnen und Verbote kommen nur bedingt gegen mentale Verstocktheit an. Es werden immer wieder Fälle heimlicher Beschneidung bekannt.
In der Provinz Boulgou befreite die Bevölkerung gewaltsam inhaftierte Beschneiderinnen. Nach Eintreffen von Verstärkung konnte die Gendarmerie Rädelsführer festnehmen. Das zentrale Krankenhaus «Yalgado» bietet Frauen durch die Rekonstruktion der Klitoris eine teilweise Reparatur an.
Die Verheiratung von Töchtern ist traditionell bei den Mossis und anderen Ethnien dem zwischenfamiliären Beziehungsnetz des Familienchefs untergeordnet. Das heisst der Vater kann seine Tochter schon zum Zeitpunkt der Geburt oder davor einem Freund oder dessen Sohn versprechen und erhält darauf über Jahre Geschenke wie Tabak oder Kolanüsse. Er kann mit dem Versprechen auch Schuld sühnen oder wichtige Beziehungen einfädeln. Die spätere Weigerung der Tochter ist Tabubruch und wird mit Verbannung streng geahndet. Das moderne Gesetz verbietet Zwangsheirat, kann damit aber familiäre Tragödien nicht verhindern.
Problematisch sind auch die vielen Fälle von Ehen mit minderjährigen Mädchen: Mehr als die Hälfte der Mädchen und Frauen werden vor ihrem 18. Geburtstag und 10% vor ihrem 15. Geburtstag verheiratet. Im Norden von Burkina Faso, wo die NGO Mwangaza gegen Kinderehe und Genitalverstümmelung kämpft, sind diese Zahlen noch höher.
Schweres Unheil hat nach traditionellem Denken seine Ursache im Willen eines anderen Menschen. Mit Hilfe von Magie werden Schuldige aufgespürt. Sündenböcke für den Tod von Kindern sind dabei alte Frauen, die als Seelenesserinnen entlarvt werden. Sie müssen aus ihren Dörfern fliehen und einige gelangen bis in die Hauptstadt Ouagadougou. Sie verbringen den Rest ihres Lebens in Asylen wie dem «Centre d´accueil de Delwende», das über 400 Frauen beherbergt. Im November 2011 berichtete das burkinische Fernsehen über die Umsiedlung des Asyls nach Sakoula, dem nord-östlichen Stadtrand von Ouagadougou. Die vertriebenen Frauen wurden dabei als «Pensionnaires» bezeichnet.
Bildung
Schulausbildung
Das formelle Ausbildungssystem ist weitgehend vom französischen Vorbild übernommen, genauso wie die Schulabschlüsse C.E.P., B.E.P.C. und BAC. Obwohl Schulpflicht ab 6 Jahre besteht, durchlaufen weniger als die Hälfte aller Kinder die sechsjährige Grundschule. Es gibt viel zu wenig Lehrer und Schulen. Vor allem in der Ost-Region werden notdürftig Klassen unter Strohdächern eingerichtet. Da ein Schulabschluss keinen bezahlten Job mehr garantiert, ist die Bereitschaft der Eltern, ihre Kinder zur Schule zu schicken, gesunken. Kosten für Elternbeitrag, Schulmaterial und Kleidung belaufen sich bei einem Grundschüler auf nicht mehr als 10,- EURO pro Jahr. Schulkinder fallen aber als Haushaltshilfen oder zum Hüten von Schafen in den Familien aus. In Städten können Klassen mit über 100 Kindern besetzt sein. Bei solchen Verhältnissen sinkt die Qualität des Unterrichts stetig. 14 % aller Kinder erreichen weiterführende Schulen, also Collège (Realschule) oder Lycée (Gymnasium), die sich zu 90 % in Städten befinden.
Laut HDI hat Burkina Faso eine der niedrigsten Quoten des Schulbesuchs auf der ganzen Welt. Aus den Zahlen der letzte Analyse der UNESCO zur Schulsituation in Burkina Faso geht u.a. hervor, dass die Benachteiligung von Mädchen bei der Einschulung zurückgeht, weniger aber bei weiterführenden Schulen. Wer über Geldmittel verfügt, schickt seine Kinder – wie es die verantwortlichen Politiker und ausländische Entwicklungsexperten tun – auf private Schulen, die teure französische oder amerikanische Schule und lässt sie im Ausland studieren.
Fach- und Hochschulausbildung
Es gibt in Burkina Faso unter den Hochschulen vier staatliche Universitäten (die Université de Ouagadougou, Université Ouaga II, die Université Polytechnique de Bobo-Dioulasso und die Université de Koudougou) und zwei katholische Privatuniversitäten (die Université St Thomas d’Aquin bei Ouagadougou und die Université Catholique d’Afrique de l’Ouest in Bobo-Dioulasso) sowie vier weitere private Universitäten (Université Ouaga 3S, Université Aube Novelle, Université libre du Burkina und University of United Popular Nations). Die größte Hochschule ist die Université de Ouagadougou. Bis heute fehlt es immer noch an ausreichenden Studienmöglichkeiten. Die Regierung gewährt deshalb für die Ausbildung an europäischen und afrikanischen Universitäten Stipendien. Die Universitäten bieten teilweise berufsbezogene Ausbildungsprogramme an. In Ouagadougou gibt es auch mehrere Filmhochschulen, unter ihnen befinden sich das Institut Africain d´Education Cinématographique de Ouagadougou (INAFEC) und das Institut Supérieur de l´Images et du Son (ISIS).
Non-formale Ausbildung
Die non-formale Bildung umfasst im Wesentlichen das Alphabetisierungsprogramm des MENA (Ministère de l’Enseignement National et de l’Alphabétisation). Geldgeber für dieses Programm sind die EU, UNICEF, die Welthungerhilfe, die Weltbank, PAM und die Afrikanische Entwicklungsbank, Frankreich, Kanada, Belgien, Niederlande, Schweden, Luxemburg, VR China, Dänemark.
Alphabetisierung in lokalen Sprachen bietet unter anderem die Selbsthilfeorganisation «Association Tin Tua» mit Sitz in Fada N´Gourma an. Tin Tua wurde 2009 dafür mit einem Preis der UNESCO ausgezeichnet.
Gesundheit und Sozialwesen
Moderne Medizin
Infektionen der Atemwege (insbesondere Lungenentzündung) sind die häufigste Krankheit und häufigste Ursache für den Tod von Kindern. Dicht darauf folgen Malaria und Durchfallerkrankungen. Ein weiteres Problem ist die Infektionsrate von HIV / AIDS. Die Prävalenz wurde 2019 mit 0,7 % angegeben, damit gehört Burkina Faso nicht zu den Hochprävalenzländern. Eine gefährliche und oft tödlich verlaufende Infektionskrankheit ist auch Meningitis. Burkina Faso wird während der Trockenzeit in den Monaten Februar bis April regelmäßig von Epidemien der Meningokokken- Hirnhautentzündung (Meningitis) heimgesucht.
Die moderne Gesundheitsversorgung ist auf insgesamt fünf Ebenen (vergleichsweise Dorf, Departement, Provinz, Region, Land) organisiert:
Poste de Santé Primaire (PSP)
Centre de Santé et de Promotion Sociale (CSPS)
Centre Médical (CM) bzw. Centre Médical avec Antenne Chirurgicale (CMA) Centre Hospitalier Regional (CHR)
Centre Hospitalier National (CHN).
Auf unterster Ebene ist die Ausstattung sehr schlecht bis gar nicht vorhanden. In einem CSPS ist normalerweise kein Arzt anzutreffen. Das Zentrum wird von einem Krankenpfleger geleitet, der hier die Kompetenzen eines Chefarztes haben soll. Der «CHN Yalgado Ouedraogo» in Ouagadougou hat den Ruf, eine Sterbestation zu sein. Ärzte sind hier überfordert und schlecht bezahlt. Gelder fließen unter der Hand. Die Zustände sind für europäische Maßstäbe chaotisch. Wer es sich leisten kann, bringt seine Kranken in private Krankenanstalten, wo oft dieselben Ärzte aus «Yalgado» nach Feierabend behandeln.
Traditionelle Medizin
Die schulmedizinisch ausgebildeten Ärzte verschreiben in Burkina Faso oft ellenlange Rezepte und haben wenig Vorbehalte gegen die Anwendung von Antibiotika. Das schreckt bereits viele ab, für die «weiße» Medikamente unerschwinglich teuer sind, überhaupt zu einem Arzt zu gehen. Der Verkauf unkontrollierter Medikamente von fliegenden Händlern, die meist aus Ghana eingeführt werden, blüht («Les médicaments de la rue, ça tue!»).
Viele gehen zu Heilern mit magischen Fähigkeiten oder Scharlatanen, die Gris-gris (Amulette/Glücksbringer) verkaufen oder geisterbeschwichtigende Handlungen auferlegen (z.B. ein Ei im Straßenverkehr aus einem Taxi fallen lassen, einem Blinden ein Tuch geben, Brot an bettelnde Koranschüler, einen roten Hahn an einen Schmied…). Nach ihrem Verständnis hat Krankheit seinen Ursprung in einer verborgenen Welt, in der sie auch durch Beruhigung der Geister (Kinkirgha) geheilt werden kann.
Sozialwesen: Organisationen und Institutionen
Im sozialen Bereich verfügt Burkina Faso über eine Vielzahl von Nichtregierungsorganisationen oder Selbsthilfegruppen aller Art. Die Vernetzung und Koordination dieser NRO wird durch eine Reihe von Dachorganisationen, wie beispielsweise das Sekretariat der NRO (SPONG), gesichert.
Eine der wichtigsten staatlichen Institutionen für Gesundheits- und Altersversorgung ist die seit über 50 Jahren bestehende CNSS (Caisse Nationale de Sécurité Sociale). Ihre Aufgabe ist es, die sozialen Sicherungssysteme für Lohnabhängige und ihre Familienangehörigen (ca. 20 % der Bevölkerung) in Burkina Faso zu verwalten. Die Vorsorge-Institution ist in drei Zweige gegliedert:
Die Familienversicherung zahlt Leistungen (z.B.: Schwangerschaftsgeld, Familienzulagen und Unterstützungsleistungen für Mutter und Kind in Form von Sachleistungen) an Familienangehörige.
Die betriebliche Versicherung ist zuständig für Leistungen bei Unfällen und Berufskrankheiten.
Die Rentenversicherung greift bei Altersversorgung, Invalidität und Tod des Versicherten. Diese Leistungen werden mit gesundheitlichen und sozialen Maßnahmen ergänzt.
In Burkina Faso besteht eine Pflichtversicherung für alle Arbeitnehmer.
Die CNSS bietet keine allgemeine Krankenversicherung an. Diese wird nur von privaten Versicherungsgesellschaften angeboten. Allerdings sind die Leistungen auch dort sehr beschränkt.
Der oft in Subsistenzwirtschaft arbeitenden ländlichen Bevölkerung, die 80 % der Bevölkerung ausmacht, kommen solche Möglichkeiten nicht zugute. Für sie ist weiterhin die Großfamilie Solidargemeinschaft im Fall von Hunger und Krankheit.
Um soziale Randgruppen wie Bettler, Menschen mit geistiger Behinderung (les fous), vertriebene Hexen, wegen Schwangerschaft verstoßene Teenager… aufzufangen, gibt es ein Sozialamt, «L´Action Sociale», dessen Möglichkeiten bei knappen Geldmitteln bescheiden ausfallen.
Der Urheber war auf dem Länderportal der GIZ nicht erwähnt. Ich habe die GIZ informiert, dass ich das wertvolle Wissen in meine touristischen Webseiten einpflege. Jede Unterstützung ist willkommen. Vor allem in Bezug auf Bilder und zur Wahrung der Aktualität bin ich manchmal auf Hilfe angewiesen.